Die EU-Kommission plant die automatische Erfassung Ihrer privaten Kommunikation - oder die totale Überwachung im Namen des Kinderschutzes.
Dies wäre der schlimmste Überwachungsapparat außerhalb Chinas, und die Maßnahmen wären völlig unverhältnismäßig.
EU-Vorschlag zur Überwachung
In ihrem Vorschlag plant die EU-Kommission die völlige Abschaffung der Privatsphäre im Internet. Sie schlägt ein neues Massenüberwachungssystem vor, das private Textnachrichten nicht nur nach bekanntem CSAM-Material ((Child Sexual Abuse Material) durchsucht, sondern auch alle Nachrichten zur Aufdeckung von “Grooming” mitlesen würde.
Um “Grooming” zu erkennen, müsste die KI alle unsere privaten Nachrichten lesen, immer.
Dies wäre der schlimmste Überwachungsmechanismus, der jemals außerhalb Chinas eingeführt wurde, und das alles unter dem Vorwand, Kinder zu schützen.
Der Kryptographie-Professor Matthew Green sagte, dass der EU-Vorschlag “die ausgeklügeltste Massenüberwachungsmaschinerie beschreibt, die jemals außerhalb Chinas und der UdSSR eingesetzt wurde. Das ist keine Übertreibung”.
Was kann da schon schief gehen?
Wir müssen uns sehr genau überlegen, was bei solch umfassenden Überwachungsmaßnahmen, wie sie die EU-Kommission gerade vorgeschlagen hat, schief gehen könnte.
Wir alle müssen uns darüber im Klaren sein, dass wir nach den Plänen der Kommission alle heimlich überwacht werden sollen - und zwar rund um die Uhr. Die Liste der Bilder und Inhalte, nach denen gesucht werden soll, kann angepasst werden.
Sobald ein Gesetz die Kommunikationsanbieter dazu zwingt, clientseitiges Scannen einzuführen, könnte das Tool, das dies tut, theoretisch nach allem und jedem suchen.
Die Liste kann also bei Bedarf erweitert werden. Am Anfang werden die Gesetze besagen, dass die Anbieter nach Kinderpornografie suchen müssen - das behaupten Politiker immer, wenn sie einen möglichst breiten Konsens für neue Überwachungsmöglichkeiten brauchen. Aber im nächsten Schritt werden die Behörden auch nach anderen Dingen suchen: Terroristen, Menschenhändlern, Drogenhändlern, Bandenkriminellen.
Und in einigen Ländern eben auch nach Oppositionellen oder Journalisten.
Diese Liste lässt sich endlos fortsetzen.
”Zum Schutz der Kinder”?
Die EU-Kommission behauptet, dass dieses KI-basierte Scannen ein ausgewogener Ansatz zwischen dem Schutz der Privatsphäre der Menschen und dem Schutz der Kinder ist. Im Spiegel sagte EU-Kommissarin Dubravka Šuica: Jedes fünfte Kind ist Opfer von sexuellem Missbrauch und leidet “oft ein Leben lang unter der traumatischen Erfahrung.”
Aus öffentlich zugänglichen Daten geht jedoch hervor, dass die meisten Überwachungsanordnungen im Zusammenhang mit Drogendelikten ausgestellt werden und nicht zum Schutz der Kinder.
Diese Daten lassen die Frage aufkommen, ob es der EU-Kommission nur um den Schutz der Kinder geht, oder um die Einführung von Überwachungsmöglichkeiten, die dann, wenn sie einmal etabliert sind, auch für andere Ermittlungen genutzt werden können.
Drogenkriminalität an der Spitze
In Deutschland wurden im Jahr 2019 mehr als 47,3 Prozent der Maßnahmen zur Überwachung der Telekommunikation nach § 100a StPO angeordnet, um Verdächtige von Drogendelikten zu ermitteln. Nur 0,1 Prozent der Anordnungen erfolgten im Zusammenhang mit Kinderpornografie.
Vergleich des prozentualen Anteils der Abhöranordnungen wegen Kinderpornografie und Drogendelikten in Deutschland, 2009-2019. Quelle
In den meisten Fällen wurde die Überwachung der Telekommunikation zur Verfolgung von Drogendelikten angeordnet. In keinem anderen Bereich wurden so viele Überwachungsmaßnahmen angeordnet.
In Deutschland wurde in den vergangenen Jahren knapp die Hälfte aller Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen wegen Drogendelikten durchgeführt. Das geht aus der Jahresstatistik des Bundesamts für Justiz (BfJ) hervor.
Hintertür nur für die “Guten”
Ein wichtiges Thema - und eines, das von der Europäischen Kommission völlig vernachlässigt wird: Cybersecurity.
Es werden Wege gefunden, den Prozess des clientseitigen Scannens zu hacken. Böswillige Angreifer könnten zum Beispiel Bilder oder Dokumente auf Geräte von Personen einschleusen, die sie in Misskredit bringen wollen. Oder böswillige Angreifer könnten einen Weg finden, die Daten, die auf unseren Geräten gescannt werden, abzuschöpfen und sie für Cyberangriffe zu nutzen.
Letztlich muss uns allen klar sein, dass eine “Hintertür nur für die Guten” nicht möglich ist.